Marktüberblick in Deutschland

Im patentrechtlichen Kosmos gilt der für 2023 geplante Start des UPC (Unified Patent Court) weiterhin als eines der wichtigsten Themen im Markt, Boutiquen und Großkanzleien stehen seit Jahren in den Startlöchern und erwarten ungeduldig den Beginn der ersten Streitigkeiten vor den neuen Spruchkörpern. Als weiteres bewegendes Thema präsentierte sich das Patentrechtsmodernisierungsgesetz mit seinen Neuregelungen zum Unterlassungsanspruch, der besseren Verbindung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren und dem Schutz vertraulicher Informationen in laufenden streitigen Verfahren. Bis Mitte 2022 berichteten Kanzleien, dass die für den Unterlassungsanspruch eingeführte neue Härtefallregelung in der Praxis noch nicht von den Gerichten zur Anwendung gebracht wurde, so dass es abzuwarten bleibt, ob die Neuregelung für Beklagte tatsächlich eine Verbesserung bringt oder ob sie sich im Ergebnis nicht faktisch leerläuft. Auch bei der anvisierten Verbesserung der Verbindung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren wird weiter beobachtet, inwiefern das Gesetz eine tatsächliche Verbesserung bringt; in Kanzleikreisen wird bislang davon ausgegangen, dass die Neuregelung das Zusammenspiel der beiden vor getrennten Spruchkörpern geführten Verfahren spürbar erleichtern wird.Im Kanzleimarkt ist bei den Patentanwälten vor allem die erfolgreiche Entwicklung der IP-Boutique HGF Europe LLP in München hervorzuheben, die sich seit dem Start 2019 gut am Markt etablieren konnte und sich bei Mandanten als Alternative zu den traditionellen Namen am Markt wachsender Beliebtheit erfreut, auch in streitigen Verfahren. Die großen Boutiquen wie Grünecker, Hoffmann Eitle, Boehmert & Boehmert, Bardehle Pagenberg, Cohausz & Florack, Eisenführ Speiser und Vossius & Partner zählen in Deutschland und für Verfahren vor dem Europäischen Patentamt weiterhin zu den gesetzten Namen für anspruchsvolle Prosecution-Mandate. Für streitige Verfahren, insbesondere für Nichtigkeitsverfahren oder patentanwaltlich begleitete Verletzungsverfahren, gehören Maikowski & Ninnemann, BRAUN-DULLAEUS PANNEN EMMERLING, df-mp sowie die bereits erwähnten Bardehle Pagenberg und Cohausz & Florack zu den ersten Adressen; Zimmermann & Partner Patentanwälte mbB und Maiwald Intellectual Property genießen am Markt ebenfalls einen ausgezeichneten Ruf. Unter den Rechtsanwaltskanzleien konnte Herbert Smith Freehills LLP unter der Leitung von Ina vom Feld gut am deutschen Markt Fuß fassen, während mit Finnegan im Januar 2022 ein neuer Player deutschen Boden betrat; der IP-Riese aus den USA wird in München von Jochen Herr geleitet. GvW Graf von Westphalen baute an den Standorten München und Frankfurt die Patentrechtspraxis erheblich aus: In München ist Sebastian Heim seit Sommer 2021 sowohl in Verletzungsverfahren als auch in Rechtsbestandsverfahren vor dem EPA und dem BPatG tätig, während Nicolas Dumont seine Erfahrung in grenzüberschreitenden Verfahren im Patent- und Geschäftsgeheimnisschutz für nationale und internationale Mandanten zum Einsatz bringt. Joachim Feldges verließ zum Sommer 2022 Allen & Overy LLP und plant künftig, aus der Selbstständigkeit heraus im kleineren Stil für Mandanten aus der Pharmaindustrie zu agieren. Clifford Chance baute ihr Team Ende 2022 kräftig aus mit den Neuzugängen Tobias Hessel, Stefan Richter und Thomas Misgaiski von HOYNG ROKH MONEGIER, alle drei sind in Mobilfunkpatenten versiert.Im Wettbewerbsrecht beschäftigte Kanzleien vor allem die zehnte UWG-Novelle. Insbesondere der Bereich Influencer Marketing gewinnt spürbar an Bedeutung.Als Praxisbereich bleibt das Marken- und Designrecht in der Regel eher unbeeinflusst von großen geopolitischen Entwicklungen und zeichnet sich durch einen gleichbleibenden Beratungsbedarf seitens deutscher und globaler Unternehmen und Konzerne aus. Im Rahmen der Covid-19-Pandemie wurde zwar von einer zögerlicheren Haltung gegenüber Markenanmeldungen berichtet, gleichzeitig nutzten jedoch viele Unternehmen den Stillstand zur Neuausrichtung und Umstrukturierung von Portfolios. Dennoch fanden 2022 insbesondere zwei grundlegende legislative Veränderungen statt: Zum 1. Juni 2022 kündigte Deutschland ein Übereinkommen mit der Schweiz, welches seit 1892 bestand und festlegte, dass ein in der Schweiz eingetragenes Schutzrecht auch dann als ernsthaft benutzt galt, wenn es nur in Deutschland benutzt wurde – und umgekehrt; ausgelöst durch das sogenannte Testarossa-Urteil vom Europäischen Gerichtshof 2020, das es Ferrari erlaubte, die ikonische Marke Testarossa trotz seit 1997 ausbleibender Produktion zu behalten. Die zweite Neuerung ist der Digital Services Act, der im Oktober 2022 seine Finale Genehmigung seitens des europäischen Parlaments erhielt. Obwohl dieser das Markenrecht nicht direkt betrifft, sondern eher das Wettbewerbsrecht ergänzt, stellt er trotzdem eine wichtige Veränderung des digitalen Raumes dar, welcher auch zunehmend in markenrechtlichen Angelegenheiten eine Rolle spielt. Themen der Digitalisierung bleiben auch im Markenrecht nicht aus – so beschäftigen sich Kanzleien zunehmend mit Fragen rund um das Metaverse und NFTs (Non-fungible Tokens), die oftmals rechtliches Neuland aufwerfen. Nachhaltigkeit und ESG, so zum Beispiel im Rahmen von Greenwashing, sind weitere Wachstumstreiber im Markt.Der Kanzleimarkt blieb im Berichtszeitraum im Marken- und Designrecht relativ stabil, wenngleich zwei Übernahmen publik wurden. Meissner Bolte Patentanwälte Rechtsanwälte Partnerschaft mbB gewann zu Beginn 2022 die IP-Boutique Würtenberger für sich, während sich Lichtenstein, Körner & Partner im Oktober 2022 Schalast Law | Tax anschloss. Außerdem fanden vereinzelt individuelle Wechsel statt: Anja Wulff verließ Lubberger Lehment Anfang 2022, um sich Hildebrandt. anzuschließen, und Oliver Stöckel wechselte zeitgleich von von BOETTICHER Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB zu SKW Schwarz. Hoffmann Eitle gewann Maike Lorenz im Februar 2022, die zuvor bei Taylor Wessing tätig war. Bei Dentons verlor man ein Dreigespann aus Pascal Straszewski (Inhouse-Position), Julia Wiencke (Ernst & Young Law), sowie Nadine Neumeier (Baker McKenzie). Susanne Krakow von Hogan Lovells International LLP und Martin Aufenager von Grünecker traten während des Berichtszeitraums in den Ruhestand ein.