Marktüberblick in Deutschland

Kaum lassen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie nach, kommen neue Krisen angerollt: Der Ukraine-Konflikt, steigende Energiepreise, Lieferkettenschwierigkeiten und die Zinswende sind nun die Tagesthemen und haben ordentlich Bewegung in den deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzmarkt gebracht.

Ob und inwiefern die Bundesregierung mit Blick auf eine drohende Rezession eingreifen wird, ist noch offen. Gesetzgeberisch bleibt es nach dem Einführen der Coronahilfsmaßnahmen, die Mitte 2022 größtenteils ausliefen, und dem Verabschieden des StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen) erst einmal ruhig.

Nach gut anderthalb Jahren StaRUG kann eine Bilanz gezogen werden, die sich am besten als „verhalten positiv“ beschreiben lässt. Es ist ein weiteres Restrukturierungswerkzeug, das für bestimmte Fälle (in außergerichtlichen, teilkonsensualen Restrukturierungen, beispielsweise zur Aufbrechung von Sperrminderheiten) vorgesehen ist und diese auch gut abdeckt. Allerdings muss sich das StaRUG nach wie vor gegenüber konkurrierenden Restrukturierungsrahmen aus dem Ausland behaupten, denn das vorinsolvenzliche Restrukturierungsgeschäft und Insolvenzen allgemein werden zunehmend internationaler. Unter anderem stehen international tätigen Unternehmen das englische Scheme of Arrangement oder das niederländische WHOA (Homologatie Onderhands Akkoord) zur Auswahl. In Europa entscheidet in aller Regel das Centre of Main Interest (COMI), sprich das Hauptgeschäftsinteresse bzw. -unterfangen des Schuldnerunternehmens über den Gerichtsstandort und somit über das anzuwendende Recht. Allerdings gibt es keine einheitliche Definition über das COMI, das auch nachträglich noch verlegt werden kann.

Etwas Klarheit kam hier im März 2022 vom EuGH im Rahmen des Streits um das COMI der Galapagos Holding. Der EuGH entschied, dass bei nachträglich geändertem COMI und dem Stellen eines neuen Insolvenzantrags am neuen Standort dasjenige Gericht zuständig bleibt, das zuerst über einen Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens entschieden hatte. Dennoch liegt weiterhin keine einheitliche Definition des COMI vor, sodass davon auszugehen ist, dass es weiterhin Spielraum für Interpretation geben wird.

Interessant in diesem Zusammenhang war auch die Restrukturierung des deutschen Spielhallenbetreibers Löwenplay, der nach dem englischen Scheme of Arrangement restrukturiert wurde und somit zu den ersten Insolvenzfällen post-Brexit zählt, bei dem ein englisches Scheme of Arrangement bei einem deutschen Unternehmen angewendet wurde.

Betrachtet man die verschiedenen Sektoren, ergibt sich folgendes Bild: Die Sektoren, die weiterhin am stärksten betroffen sind und sich zu echten Dauerbrennern im deutschen Insolvenz- und Restrukturierungsmarkt entwickelten, sind vor allem Handel – insbesondere der stationäre Einzelhandel – und Mode. Nachdem im Laufe des Jahres 2021 die Herrenmodemarke Eterna neu aufgestellt wurde, musste im September 2022 die für ihren Schuhhandel bekannte Modemarke Görtz Insolvenz anmelden. Der Automotive-Bereich bleibt weiterhin ein Sorgenkind. Zwar war es in diesem Bereich in jüngerer Vergangenheit wieder etwas ruhiger geworden, doch aufgrund mehrfacher Belastungen dieses Industriezweigs, wie unter anderem Lieferkettenthemen, gestiegene Energie- und Rohstoffpreise sowie gestiegene Zinsen, rechnet man wieder fest mit einem Anstieg an Restrukturierungsfällen und Insolvenzverfahren aus der Automobilindustrie, vor allem der Zuliefererindustrie.

Neu hinzugekommen – und bis zum russischen Einmarsch in die Ukraine und den folgenden Sanktionen eher unerwartet gewesen – ist der Energiesektor, der nun mit erheblichen gestiegenen Preisen, insbesondere Gas, zu kämpfen hat. Einer der ersten Betroffenen war im Juni 2022 das in Düsseldorf ansässige Energieversorgungsunternehmen Uniper. Und zu guter Letzt liegen besorgte Blicke auf dem Immobilienmarkt, wo davon auszugehen ist, dass die steigenden Zinsen auch zu steigenden Insolvenzzahlen führen werden.