Marktüberblick in Deutschland

Die wirtschaftsstrafrechtliche Betreuung durch Boutiquen und Großkanzleien fokussierte sich auch 2022 vornehmlich auf klassische Themen der Wirtschaftskriminalität: Neben Betrugs-, Korruptions- und Untreueverfahren im Industrie- und Finanzwesen, wie beispielsweise weiterhin im Diesel- und Wirecard-Kontext, zogen Unternehmen juristischen Rat vorrangig im Rahmen steuerstrafrechtlicher Prozesse heran, wobei Cum-Ex- und Cum-Cum-Sachverhalte hierbei weiterhin die Mandatsarbeit dominierten. Nicht nur infolge der Pandemie landen zudem Lohn- und Sozialversicherungsbetrugsverfahren immer häufiger auf Anwaltsschreibtischen und halten ebenfalls wie eine steigende Anzahl an Umwelt- und Medizinstrafverfahren zunehmend Einzug in deutschen Gerichtssälen.

Während es sich auf Gesetzgebungsebene 2022 abgesehen von Gesetzesvorlagen zur Verbesserung von Whistleblower-Rechten (20/3442 “Für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden”) ruhig verhielt, erhöht sich durch den Ukraine-Krieg und damit verbundene Finanzsanktionen langsam aber sicher der Beratungsbedarf im wirtschaftsstrafrechtlichen Segment; hierbei profitieren weiterhin insbesondere Kanzleien mit außenwirtschafts- und sanktionsrechtlicher Expertise. Des Weiteren wird eine Beratungswelle zu wirtschaftsstrafrechtlichen Vergehen in Folge des am 01.01.2023 in Kraft getretenen Lieferkettengesetz (LkSG) erwartet und auch Cybercrime spielt eine immer prominentere Rolle am deutschen Markt; ein Thema, das überraschenderweise weiterhin von nur einigen wenigen Boutiquen und Großkanzleien bespielt wird.

Während es sich auf legislativer Ebene verhältnismäßig ruhig verhielt, konnte im Gegensatz dazu weitaus mehr Bewegung in der Kanzleienlandschaft beobachtet werden: Tilman Reichling verließ im September 2022 Feigen · Graf Rechtsanwälte, um gemeinsam mit Johannes Corsten, zuvor bei schilling tute Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, die Frankfurter Wirtschaftsstrafrechtsboutique Reichling Corsten zu gründen. In die Selbstständigkeit verabschiedete sich auch Thomas Richter, der seine Individualverteidigungsexpertise zuvor zehn Jahre unter dem Dach von HammPartner Rechtsanwälte ausspielte und nun seit Oktober 2022 unter Richter firmiert. Zum Januar 2023 spaltete sich zudem das gesamte Strafrechtsteam der Frankfurter Kanzlei Klinkert Rechtsanwälte PartGmbB ab und agiert nun unter der Leitung von Marijon Kayßer unter dem Namen Kayßer. Michelle Wiesner-Lameth wechselte im Mai 2022 von Rosinus Partner zu act AC Tischendorf Rechtsanwälte; White & Case LLP verstärkte sich zeitgleich mit dem in der Bekämpfung von Finanzkriminalität und Steuerdelikten versierten Counsel Daniel Zapf, der zuvor für DLA Piper tätig war; und Katharina Schomm (Datenschutzbußgeldverfahren) und Maximilian Janssen (Kartell- und Wettbewerbsstrafrecht) verließen Wessing & Partner im Sommer 2022 für Inhouse-Positionen. Bereits im August 2021 konnte Noerr den auf Cyberkriminalität spezialisierten Volker Rosengarten von Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, LLP gewinnen, musste jedoch ebenfalls den Wechsel des angesehenen Strafrechtlers Martin Schorn zu Pohlmann & Company im November 2021 hinnehmen. Zudem verließ Anna Oehmichen im Herbst 2021 Knierim & Kollegen Rechtsanwälte und stellt ihre internationale wirtschafts- und steuerstrafrechtliche Erfahrung nun unter dem Dach von Oehmichen International zur Verfügung.